Glockengeschichte der Thomaskirche

Die Glocken in der alten Thomaskirche von 1282

Die alte Thomaskirche stand in der Löberstraße (heute steht an diesem Platz, Löberstr. 18, das Haus „Zum alten Thomas“. Sie wurde, nachdem im Jahre 1902 die neue Thomaskirche in der Schillerstraße eingeweiht worden war, im Jahre 1903 abgerissen.

Das Geläut der alten Thomaskirche bestand aus 3 Glocken:

  1. Kleine Glocke
    Gießer unbekannt.
    Inschrift am Hals in erhabenen gotischen Minuskeln: „In Honore Sanctae Thomae 1448“ (= Zu Ehren des Heiligen Thomas 1448).
    Ton: f“.
    Symbol / Schmuck: Am Wolm zwei erhabene Ringe, am Hals über und unter der Umschrift je 1 Ring.
     
  2. Mittlere Glocke
    Gegossen 1683 von Hans Rausch in Erfurt (genannt „Pestzeitglocke“). Inschrift: Israel Hat Dennoch Gott Zum Troste. Ps. LXXIII. Her Erhardus Tilemanni Pastor S Thomae 1683. Zur Sterbens Zeit Zwar Ich Zersprang Bekam Doch Wieder Diesen Klang. Meister Hans Wittich Altarmann Meister Hans Heinrich-Gerhard Goss Mich Hans Heinrich Rausch Und Hans Wolf Geyer In Erfurd.“

    Diese Inschrift lässt vermuten, dass es sich bei dieser Glocke um einen Nachguß handelte. Im Jahr 1683 waren in der Thomasgemeinde 291 Gemeindeglieder an der Pest gestorben. Möglicherweise hat die Glocke dem allzu häufigen Gebrauch beim Sterbeläuten nicht standhalten können, sprang und musste nachgegossen werden. Auch der Auftraggeber Pastor Thielemann, mit ihm am gleichen Tag weitere 14 Gemeindeglieder, und der Gießer Hans Wolf Geyer starben binnen 1 Monat im Jahr 1683 an der Pest.

    Gestaltung: Kronenarme profiliert, vom Hals bis zum Flankenbeginn zwei Schmuckstreifen von erhabenem Rankenwerk, aus dem in Abständen Köpfe (Engel) schauen. Auf der Flanke ein Relief (Begegnung zwischen Thomas und dem auferstandenen Christus). Am Wolm drei erhabene Ringe, zwei gleiche Ringe am Schlag.

    Ton: zwischen a’ und b’ („a’ + ¼“).
     
  3. Große Glocke
    Entstehungsort unbekannt. Entstehungszeit vermutl. 15. Jahrhundert.
    Inschrift: am Hals, in erhabenen gotischen Minuskeln: „Ave Maria Gracia Plena Dominus Tecum Benedicta Tua“ (= Ave Maria voll der Gnade, der Herr ist mit dir, gebenedeit bist du).
    Symbol / Schmuck: profilierte Krone, zwei Ringe kurz über und einen unter dem Schlag.

    Ton: a’.

    Über die mittlere Glocke und den Zusammenklang des ganzen Geläutes urteilt Domorganist Janson 1927, das Werk des Rausch sei ein „missratenes Gebilde“ gewesen, denn die große Glocke besaß den Ton a’. „Es ergab sich in dem Dreiergeläute von St. Thomas eine schreckliche Disharmonie, die die Gemeinde von 1683 bis 1902 anhören musste“ (Pfr. Dr. Pohl). Im Blick auf den bevorstehenden Abriß der alten Thomaskirche bemühte sich Provinzialkonservator Theuner, Magdeburg; um die Erhaltung der Glocke; wenigstens die älteste Glocke aus dem Jahre 1448 wollte er als Betglocke für die neue Thomaskirche erhalten. Der Gemeindekirchenrat lehnte ab. Zweimal wurden die Glocken dem Gustav-Adolf-Verein, danach auch der Gemeinde Villach, zum Metallwert angeboten. Nachdem kein Verkauf zustande gekommen war, wurden alle drei Glocken 1902 in der Glockengießerei Schilling in Apolda eingeschmolzen; der Metallwert wurde bei der Beschaffung der neuen Glocken verrechnet. Der Provinzialkonservator hatte vorher die Glocken fotografiert und von den Verzierungen Abdrücke nehmen lassen; die Abdrücke wurden dem Erfurter Museum übergeben und sind offenbar im Krieg verlorengegangen. Ein Foto im Archiv der Thomasgemeinde ist unseres Wissens das einzige erhaltene Bilddokument.

 

Die Glocken in der neuen Thomaskirche von 1902

  1. Kleine Glocke („Luther-Glocke“)
    Ton: f’.
     
  2. Mittlere Glocke („Thomas-Glocke“)
    Inschrift: “Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“
    Ton: des’.

    Symbol / Schmuck: Kreuzzeichen.
     
  3. Große Glocke („Christus-Glocke“)
    Inschrift: Vorderseite: „Ehre sei Gott in der Höhe“. Rückseite: „Franz Schilling goß uns Weihnachten 1901“.
    Symbol / Schmuck: Kreuzzeichen.
    Ton: b’
    Glockenweihe am 19.01.1902 durch Senior d Dr. Bärwinkel.
    Die Luther-Glocke wurde im Zuge der Kriegswirtschaft eingezogen. Am 3. Juni 1917, Vormittags 11.15 Uhr, Fand der „Glockenabschied“ statt. Bis zum Jahr 1925 bestand das Geläut aus den verbliebenen 2 Glocken.

    Dann kam die neue Luther-Glocke.
    Gewicht: 1.350 kg.
    Ton: es’ (früher: f’).
    Inschrift: Vorderseite: „Friede auf Erden. Lutherglocke bin ich genannt – 1901. Ward geopfert fuers Vaterland – 1917. Zu neuem Leben ich wieder erstand – 1925“.
    Rückseite: „1925. Pfarrer: Alfred Kurz und Johannes Matthes. Kirchenaelteste: Ferdinand Schmidt, Ernst Schilling, Eduard Wittnebert, Hugo Poddey; Ludwig Flaccus. Ehrenmitglieder: Adolph Stuercke, Johannes Biereyr. Kirchner: Wilhelm Bloy“.
    Oben: Werkstattzeichen „Franz Schilling, Apolda“.

    Die neue Luther-Glocke war nicht mehr die kleine, sondern die mittlere Glocke im Geläut.
    Glockenweihe am 24.05.1925 durch Pfr. Kurz.
    1944 wurden wieder Glocken wegen des Krieges eingezogen, diesmal die große (Christus-Glocke) und die kleine (Thomas-Glocke). Sie wurden auf dem Turm zerschlagen und in Stücken abgeseilt.

    Die Kirche wurde am 31.03.1945 in einem Bombenangriff zerstört.


Die Luther-Glocke, die den Krieg überlebt hatte, blieb bis 1957 einziges Geläut der Thomaskirche. Sie wurde 1957 zunächst an die Domgemeinde Magdeburg verkauft. Im Magdeburger Dom kam sie jedoch nie zum Einsatz. Nach fast 25 Jahren, in denen sie in Apolda bei Fa. Schilling lagerte, erfolgte 1981 der Weiterverkauf an die Gemeinde St. Stephani Aschersleben. Wegen der Aufschrift „Friede auf Erden“ wird sie für das 3malige Tagesläuten verwendet und somit von den 11 Glocken des dortigen Geläuts die am meisten benutzte Glocke.
 
Die Glocken der Wiederaufgebauten Thomaskirche (ab 1957)
Am 24.09. 1950 wird die aus Kriegstrümmern wieder aufgebaute Thomaskirche geweiht.
Am 29.08. 1955 beschließt der Gemeindekirchenrat der Thomaskirche, ein Geläut zu beschaffen mit den Tönen e’, es’, f’.
Am 23.11. 1955 wird die Abschaffung eines Geläuts aus 4 Glocken beschlossen: cis’, e’, fis’, gis’.
Am 15. März 1957 erfolgt die Lieferung der 4 neuen Glocken aus der Glockengießerei Schilling / Apolda.

 

Zusammenfassung: Die Glocken von St. Thomas seit 1448

(heutiges Geläut: Glocken 9 – 12)
 

  1. Kleine Glocke von 1448 aus der alten Thomaskirche:
    eingeschmolzen 1902.
  2. Mittlere Glocke von 1683 aus der alten Thomaskirche:
    eingeschmolzen 1902.
  3. Große Glocke aus der alten Thomaskirche:
    eingeschmolzen 1902.
  4. Kleine Glocke von 1902 (erste Luther-Glocke):
    eingezogen 1917.
  5. Mittlere Glocke von 1902 (erste Thomas-Glocke):
    eingezogen 1944.
  6. Große Glocke von 1902 (erste Christus-Glocke):
    eingezogen 1944.
  7. Zweite Luther-Glocke von 1925:
    abgegeben an den Magdeburger Dom 1957,
    heute in St. Stephani / Aschersleben in Gebrauch.
  8. Große Glocke von 1957 (zweite Christus-Glocke):
    geborsten 1959.
  9. Kleine Glocke von 1957 (Menius-Glocke):
    im Gebrauch der Thomaskirche.
  10. Zweite Glocke von 1957 (zweite Thomasglocke):
    im Gebrauch der Thomaskirche.
  11. Dritte Glocke von 1957 (dritte Luther-Glocke):
    im Gebrauch der Thomaskirche.
  12. Große Glocke von 1962 (dritte Christus-Glocke):
    im Gebrauch der Thomaskirche.


Zusammenstellung: Pfr. Martin Rambow, 1996